Freitag, 12. August 2016

Eierlikörtage - Hendrik Groen

Alt, aber nicht tot!

Hendrik Groens Roman "Eierlikörtage - Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre" erscheint 2016 in der deutschen Übersetzung von Wibke Kuhn im Piper Verlag.


Hendrik Groen ist zwar alt (83 1/4, um genau zu sein), aber er ist noch lange nicht tot. Seine täglichen Spaziergänge nahe seiner Seniorenresidenz werden immer kürzer und auch die Arzttermine werden regelmäßiger, jedoch möchte er außer dem Genörgel der anderen Mitbewohner noch etwas unternehmen und Spaß am Leben haben. Jahrelang hat er alles geschluckt, in diesem Jahr beginnt er ein Tagebuch zu führen und gibt damit den Blick frei auf das Leben in einem Altenheim in Amsterdam-Nord.





"Biologisch gesehen sei ein Mensch ab dem vierzigsten Lebensjahr überflüssig, denn dann sind die Kinder erwachsen und brauchen keine Eltern mehr. Der körperliche Verfall setze zu dieser Zeit ein, mit Haarausfall und Lesebrille. Auch auf Zellniveau gehe es bergab." Zitat Seite 50

Herrlich trocken betrachtet Hendrik Groen die Welt der über 80-Jährigen. Er beginnt am ersten Tag des Jahres ein Tagebuch zu führen und lässt uns damit an seinem Alltag und seinen Gedanken teilhaben. Am Anfang klingt er noch ziemlich negativ und steht seinen Altersgenossen recht ablehnend gegenüber, doch am Jahresende ist er um viele Erfahrungen und Freundschaften reicher und macht sogar Pläne für die Zukunft.


In diesem Buch geht es natürlich inhaltlich um das Leben von alten Menschen, aber sie werden mit sehr viel Herz beschrieben, ihre Probleme werden klar benannt und ihr Alltag erscheint trist und grau. Doch als der Club Alanito (Alt-aber-nicht-tot) ins Leben gerufen wird, haben die Menschen wieder Freude und Hoffnung, denn die gesellige Gemeinschaft und ihre Unternehmungen lassen sie wieder positiv am Leben teil haben.
Es entwickelt sich ein funktionierendes Sozialgefüge, das man mit einer Wohngruppe vergleichen könnte. Es ist schade, dass hier nicht alle alten Menschen in diesen Genuss kommen können. Die Pflege und allgemeine Versorgung im Stift/Heim/Residenz kann die innersozialen Strukturen dieser Gemeinschaft nicht leisten. Hierzu bedarf es schon engerer sozialer Bindungen, die sich positiv auf das Lebensgefühl der alten Menschen auswirkt. Hendrik und sein Club Alanito zeigen das sehr deutlich.


Ich habe Hendrik durch seine Tagebücher näher kennen gelernt und mag es, wie er den Nagel auf den Kopf trifft und besonders seinen trockenen Humor. Ich fühle mich mit ihm regelrecht bekannt und finde seine lebenserfahrenen Bemerkungen einfach nur gut. Zu gerne würde ich seine echte Bekanntschaft machen, denn er ist mir regelrecht ans Herz gewachsen. Ich freue mich über seine liebenswerten Bemühungen um seine Bekannten, die sich an der Grenze zur Demenz befinden und über die gelungenen Ausflüge des Clubs Alanito, die den alten Leutchen noch einige frohe Erlebnisse bescheren.


"Von allen Sinnesorganen arbeitet meine Nase immer noch am besten. Das ist hier nicht immer ein Segen. Es riecht nach alten Menschen." Zitat Seite 73

Solche realisitischen Bemerkungen Hendriks lassen mich schmunzeln und man merkt, dass er noch klar denken kann und die Nachteile nicht einfach nur bejammert, sondern aktiv wird und das Beste daraus machen will.   

"Wenn der Tod zu lange auf sich warten lässt, endet man als unverständlich brabbelndes, greises Kleinkind mit Windel und Rotznase." Zitat Seite 86 


Gemeinsam mit anderen Bewohnern erstellt er zum Beispiel einen Notfallplan für eine Freundin, die langsam aber sicher an Demenz erkrankt.

Die Eintragungen lesen sich neben dem eintönigen Leben von Hendrik sehr locker. Er nimmt das Leben wie es ist und sein Aktivismus steckt andere Bewohner an. Spielerunden, Umtrunk mit Freund Evert, Spaziergänge mit einer neuen Liebe und Ausflüge mit Alanito. So kann man Spaß haben.

"Endlose Ströme nutzloser Wörter, die alles überwuchern wie erstickendes Unkraut." Zitat S. 245

 
Genauso erlebt Hendrik manche Gespräche der Mitbewohner mit.


Es geht hier um die allgemeinen Themen, die im Altenheim kursieren wie Inkontinenz, selbstbestimmtes Sterben oder die fehlende Mobilität, die Hendrik kurzerhand durch den Kauf eines Scooters wiederherstellt.
Interessant sind auch die Einbindungen der aktuellen politischen Situation wie der Lehmann Krise oder allgemeiner Nachrichten. Hendrik vergleicht sie häufig mit dem Leben in seinem Mikrokosmos Seniorenheim. Doch dann wird schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen, die Folgen werden für diese Altersklasse nicht mehr relevant sein.

Die Lektüre wird durch den eingebauten Humor zu einem echten Genuss und man freut sich über die herzliche Art einiger Charaktere und gewinnt sie einfach gern. 
 
Es gibt viele witzige Szenen, über die ich richtig lachen oder mich gefreut habe. So zum Beispiel als Hendrik, endlich wieder mobil mit seinem Scooter, der natürlich frisiert ist, einen Strafzettel kassiert oder als er sich noch einmal verliebt.


Hendrik Groens Tagebuch ist eine wunderbare Lektüre, die nachdenklich macht, amüsiert und den Leser soweit bringt, das er Hendrik einen Besuch abstatten möchte. 



  ***Leseexemplar vom Piper Verlag - Recht herzlichen Dank für die Bereitstellung dieses Buches!***



3 Kommentare:

  1. Hallöchen Barbara,
    dieses Buch habe ich gerade auch im Blick. Dem Klappentext nach erhoffe ich mir eine Geschichte ähnlich, wie die von Ove. Ist dieses Buch damit vergleichbar?
    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Hallöchen Tanja,

      den Ove habe ich noch gar nicht gelesen, nur den Film kenne ich. Daher würde ich mal sagen, das Thema ist ähnlich, nur dass Hendrik viel netter ist und natürlich älter. Sein Lebensalltag ist geprägt vom Umgang mit anderen alten Menschen.

      Mir hat das Buch gut gefallen.

      Liebe Grüße und ein schönes WE,
      Barbara

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    2. Hallo Barbara,
      oh, den Film habe ich auch gesehen. Wenn er dir gefallen hat, dann solltest du unbedingt noch das Buch lesen. Ich habe es damals mehrfach weiterverschenkt, weil ich es so gut fand :o)

      Ganz liebe Grüße Tanja :o)

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